Über 180 Energie- und IT-Spezialisten nahmen an der 7. Ausgabe des Nationalen Thementags Smart Energy in Sitten teil. Die beachtlichen Besucherzahlen zeigen, dass diese gemeinsam von der Stiftung The Ark, CleantechAlps und der Stadt Sitten ausgerichtete Event eine der Leitveranstaltungen der Branche ist. Die Diskussionen und Interaktionen waren zahlreich und vielseitig, sowie der runde Tisch zur Energiestrategie, die Vorträge zur Blockchain-Technologie oder auch zum Themenschwerpunkt der Energie unseres österreichischen Nachbarn.
„Zum ersten Mal seit der Einführung der Veranstaltung im Jahr 2011 wurde das Hauptaugenmerk auf ein bestimmtes Land gerichtet. Drei renommierte Referenten, darunter Dr. Ernst Fleischhacker, einer der Väter der Energiestrategie des Landes Tirol, boten Gelegenheit zu einem besseren Verständnis der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Schweiz und Österreich“, stellte Paul-André Vogel, Moderator des Thementages im Auftrag der Stiftung The Ark, fest.
Roland Brandstätter, vom gleichnamigen Ingenieurbüro mit Sitz in Linz, eröffnete die Konferenz mit einem Zahlenvergleich zwischen Österreich und der Schweiz. Unter geografischen Gesichtspunkten haben die beiden Länder vieles gemeinsam. Gemäss Brandstätter ist es wichtig, sich von seinem Nachbarn inspirieren zu lassen, wenn dieser gute Ideen hat. Ein offenkundiger Unterschied: Österreich ist nicht zu 100 % unabhängig, da es Teil der Europäischen Union ist. „Dies hat zur Folge, dass das Land seine Energiegesetze anpassen muss, indem es Ziele in Übereinstimmung mit der Europäischen Union festlegt. So strebt es zum Beispiel eine Senkung seines Energieverbrauchs um 200 Petajoule bis 2020 an.“
Anschliessend äusserte er seine Befürchtungen bezüglich der möglichen Trennung der deutsch-österreichischen Strompreiszone. Deutschland möchte aus diesem gemeinsamen Marktgebiet mit einer einheitlichen Preiszone aussteigen, was zu einer starken Erhöhung der Strompreise für Österreich führen könnte.
Energieautonomie für Tirol
Ernst Fleischhacker zeigte anschliessend die Pläne des Lands Tirol auf, das bis 2050 die Energieautonomie erreichen will. Er räumte ein, dass dies nicht von heute auf morgen zu verwirklichen sei, da es auch darum ginge, die Einstellungen zu verändern. Tirol plant, bis 2050 die Erzeugung von landeseigenen Ressourcen (Sonnen-, Windenergie u.a.) um 30 % zu erhöhen und die Abhängigkeit von Importgütern, insbesondere von fossilen Energien, zu verringern (–50 %). „Aufgrund der gegenwärtigen Erfahrungen sind die vorhandenen Strukturen nicht in der Lage, die von diesen neuen Prozessen hervorgerufenen Dynamiken zu bewältigen“, so Dr. Fleischhacker, der jedoch zuversichtlich bleibt, da die Ziele bewusst langfristig angelegt wurden. Er stellte danach zwei konkrete Projekte vor, die in Richtung Energieautonomie gehen.
Ein weiteres konkretes Projekt wurde von Ewald Perwög, Projektleiter bei MPreis, dem Marktführer der Bäckereibranche Österreichs, vorgestellt. Im Zentrum des Projekts steht eine Wasser-Elektrolyse-Anlage. Der Wasserstoff übernimmt dabei die Funktion des Energieträgers. Die Wasserstoffspeicherung wird für die CO2-emissionsfreie Herstellung von Brötchen eingesetzt. In naher Zukunft werden die 50 LKWs, die die über 260 MPreis-Märkte beliefern, mit auf der Basis von Wasserstoffenergie hergestellten Brennstoffzellen ausgestattet werden.
Die Schweiz muss ihre Vorreiterrolle zurückgewinnen
Das Vormittagsprogramm wurde mit einem interessanten runden Tisch fortgesetzt, wobei als roter Faden die Umsetzung der Energiestrategie 2050 des Bundes diente. An der von Jean-Albert Ferrez (énergies sion région) moderierten Veranstaltung beteiligten sich mehrere prominente Persönlichkeiten des Schweizer Energiesektors, darunter Christian Schaffner, Executive Director des Energy Science Center. Dieser stellte fest, dass „die Schweiz mit der Wasserkraft im Energiebereich eine Vorreiterrolle einnahm. Sie muss jetzt diese verlorene Stellung zurückgewinnen. Sie hat alles, um erfolgreich zu sein: eine sehr gute Infrastruktur, qualifizierte Arbeitskräfte, Forschungsinstitute und finanzielle Mittel. Auf dieser Basis könnte man schneller vorankommen.“
Alle Teilnehmer des runden Tisches waren sich darin einig, dass entsprechende Daten (Sammlung und Auswertung) entscheidend für optimale Fortschritte seien. Eine Ansicht, die sowohl bei den Netzbetreibern (Maurice Dierick von Swissgrid) als auch in der Politik (Yannick Buttet, Nationalrat) geteilt wurde. Stéphane Maret, Netzverantwortlicher bei SIG, wies seinerseits darauf hin, dass sich ein Bruch abzeichnete, mit einem grundlegenden Wandel in der Energieerzeugung. „Die Herausforderung besteht darin, auf diese Entwicklungen zu reagieren und dabei die Netzstabilität aufrechtzuerhalten. Zwischen den Netzebenen sollte es keine Konkurrenz geben. Entscheidend ist, die Verfügbarkeit der Energie zu gewährleisten.“
Fragen zur Blockchain
Die Blockchain-Technologie und ihre Auswirkungen auf den Energiesektor standen im Zentrum der Diskussionen am Nachmittag. Scott Kessler vom amerikanischen Start-up LO3 Energy erläuterte zunächst, was unter einer Blockchain zu verstehen ist: ein Verfahren zur dezentralen Durchführung von Transaktionen über Peer-to-Peer-Verbindungen, ohne eine Drittinstanz einzuschalten. Eine solche Transaktion erfordert ein Verschlüsselungssystem, das die komplizierten Berechnungen löst (die „Knoten“ der Kette) und so zu einem Konsens zwischen verschiedenen Akteuren der Blockchain führt.
Das Start-up LO3 Energy übernimmt eine Schnittstellenfunktion zwischen der Interessengemeinschaft, den öffentlichen Einrichtungen und den Technologien. Es sucht nach Lösungen, um die Erzeugung und den Verkauf von Strom zu dezentralisieren, und hat dazu eine Plattform für das Stromnetz – das Transactive Grid – entwickelt, das eine Blockchain einsetzt. Die verschiedenen Erzeuger können ihre überschüssige Energie in das Netz einspeisen und alle Transaktionen werden anonymisiert.
Die nächste Ausgabe des Nationalen Thementags Smart Energy wird am Freitag, den 31. August 2018 wie bisher in Sitten stattfinden.