Der Atomausstieg wird nicht ohne Folgen für das Klima bleiben. Der Professor und Klimatologe Martin Beniston, der auf dem 5. nationalen Thementag Smart Energy in Sitten zu Wort kam, ist davon überzeugt. Seiner Ansicht nach könnte der Energiesektor auch unter der Klimaerwärmung leiden, mit geringeren Wassermengen in den Flüssen und einem härteren Wettbewerb mit anderen Wirtschaftssektoren um die Nutzung des „blauen Goldes“.
Die letzten Untersuchungen heben eine Beschleunigung der Klimaerwärmung seit den 1980er Jahren hervor. Das heutige Klima von Genf ist dasselbe wie das Klima von Toulouse im Jahr 1950, und Toulouse hat heute dasselbe Klima wie Madrid 1950. „Es handelt sich hier um ein konkretes Beispiel zur Veranschaulichung einer Erwärmung um 1 Grad pro Jahrhundert“, betont Martin Beniston. Ein anderes bedeutendes Phänomen ist der Rückgang der Gletscher, so etwa des Rhonegletschers. Dieser Gletscherschwund hat eine grössere Wassermenge in der Rhone zur Folge.
Langfristig sollte es jedoch wegen der Klimaerwärmung zu Engpässen bei der Verfügbarkeit von Wasser kommen. Es könnte nicht ausreichen, um bestimmte Anlagen für die Energieerzeugung zu betreiben. „Während der Hitzeperiode im Jahr 2003 hatten die französischen Kernkraftwerke zum Beispiel technische Probleme bei der Kühlung zu bewältigen. Die Wassertemperatur, die über dem Normalwert lag, kann ebenfalls eine Herausforderung darstellen.“
Unvereinbarkeit zwischen Energiestrategie und Klimaverpflichtungen
Wenn die 25 TWh der schweizerischen Stromerzeugung aus Kernenergie durch Gaskraftwerke ersetzt werden, würde der Anstieg der gesamten Gasemissionen zwischen 12 und 20 % liegen. „Es besteht also eine Unvereinbarkeit zwischen den Klimaverpflichtungen (Kyoto-Protokoll) und dem Atomausstieg“, so Martin Beniston.
Für den Fall, dass die Kernkraft durch neue erneuerbare Energien ersetzt wird, muss man sich mit den physikalischen Grenzen (Sonne, Wind) und der stark schwankenden Energieerzeugung auseinandersetzen. Es entsteht auch ein Preisdruck, mit sinkenden Margen bei der Wasserkraft, von den Unsicherheiten der Integration in den europäischen Strommarkt nach der Volksabstimmung vom 9. Februar 2014 einmal ganz zu schweigen.
Hohes Wasserdefizit
Es kommt zu einer Entwicklung hin zu feuchteren Wintern, aber trockeneren Sommern und Herbsten. „Das Klima in der Schweiz wird zunehmend mediterran werden.“ Wir müssen uns auf eine Erwärmung um zwei bis vier Grad im Winter einstellen, wodurch der Schnee in der Ebene ausbleibt und die Schneemenge in 2000 m Höhe um 40 bis 60 % abnimmt. Man wird mit einem hohen Wasserdefizit rechnen müssen. „Die Alpen werden der Wasserspeicher Europas bleiben, es werden jedoch Anpassungen für den Tourismus, aber auch den Energiesektor und die Landwirtschaft nötig sein.“
Dies wird die Alpenregion, aber auch unsere Nachbarn betreffen. 15 Millionen Menschen sind vom Rhonegletscher „abhängig“. 50 Millionen leben im Einzugsgebiet des Rheins und 15 Millionen im Po-Gebiet. Wenn die Prognosen sich bewahrheiten, werden die Auswirkungen nicht unerheblich sein. Es ist also eine naheliegende Idee, schnell eine bessere Wasserbewirtschaftung einzuführen, um eine gerechte Verteilung zwischen den Wirtschaftssektoren und Regionen zu gewährleisten.