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umwelt und energie
08/09/2014

Realitäten und Kontroversen der heutigen Energiewelt

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In der Energiewelt von heute ist nichts einfach. Um diese Komplexität zu veranschaulichen, ging Paul Michellod, Generaldirektor von FMV, anlässlich des 4. Nationalen Thementags Smart Energy in Sitten auf einige der Kontroversen und Realitäten ein.

Zunächst einmal kann man sich fragen: Was ist wirklich erneuerbar? „Ist ein erneuerbares chinesisches Solarpanel tatsächlich erneuerbar? Ist eine Windkraftanlage, mit ihrer begrenzten Lebensdauer, erneuerbar?“ wirft Paul Michellod auf. Eine andere Kontroverse besteht in dem Unterschied, der derzeit zwischen den „alten“ erneuerbaren Energien (darunter der Wasserkraft) und den neuen (PV, Windkraft …) gemacht wird. Gegenwärtig profitieren nur die neuen erneuerbaren Energien von politischen Bemühungen zu ihrer Unterstützung.

Die Speicherung auch auf die lokale Ebene verlagern
Zudem ist die Speicherung von Strom immer noch schwierig. Das ist eine Tatsache. Wie will man ihn speichern: in zentralisierter Form, vor allem mit Hilfe von Pumpspeicherkraftwerken, oder in dezentralisierter Form, mit Hilfe von Batterien, die über das ganze Land verteilt werden?

Paul Michellod geht auf einen Lösungsansatz ein: Man könnte den Weg über die dezentrale Stromerzeugung wählen. „Zusätzlich zu den Pumpspeicherwerken überträgt man die Verantwortung für die Speicherung auch auf lokale Ebene, damit der Verbrauch vor Ort intelligenter geregelt wird.“ Der Spitzenverbrauch von 6.30 bis 7.30 Uhr bleibt bestehen. „Ihr Rasierapparat könnte um 6.45 Uhr aus einem lokalen Speicher versorgt werden, der während der Nacht aus der Windkraftanlage oder am Vortag aus der Solaranlage gespeist wird.“ 

Im Endeffekt wird das Gleichgewicht über Schichten hergestellt, wobei der fehlende Saldo jeder Ebene – lokal, regional, national und international – von der jeweils höheren Ebene übernommen wird. Die neuen Technologien müssen unterstützt werden, aber nicht das daraus gewonnene Produkt. Nach Ansicht von Paul Michellod sollte man die Forschung subventionieren, und nicht das Endprodukt.

Zahlreiche Fragen … und ebenso viele mögliche Optionen
Andere aktuelle Kontroversen drehen sich auch um den Energietransport. Soll man unterirdischen Leitungen oder Freileitungen den Vorzug geben? Oder anders ausgedrückt: Soll die Raumplanung oder die Versorgungssicherheit Priorität erhalten?

Sollten beim Verbrauch der Marktpreis oder verantwortungsvolle Tarife für den Verbraucher im Vordergrund stehen? Sollen Kunden ihren Energieversorger frei wählen können oder an diesen gebunden bleiben? Soll man bestimmte Energieformen subventionieren oder besteuern?

Und schliesslich auf politischer Ebene: Soll man den industriellen Ansatz bevorzugen, der es dem Markt überlässt, für Ordnung zu sorgen, oder ist ein überwachtes Monopol erforderlich? Ist es nötig, die Integration in die EU zu beschleunigen, oder sollte man die Autarkie im Energiebereich anstreben? Und wenn wir uns für letztere Lösung entscheiden: Verfügen wir über die Mittel, dieses Ziel zu erreichen?

Sich anpassen oder … verschwinden
Anhand dieser einfachen Fragestellung wird eine ganze Reihe von Gleichgewichten in Frage gestellt. Eines ist sicher: es handelt sich um ein komplexes Gebiet, und jeder Eingriff in den einen Sektor hat Auswirkungen auf andere Bereiche.

FMV ist einer von 1’000 unabhängigen Akteuren der Schweizer Strombranche, wie Paul Michellod bemerkt. Die Branche ist offen für den Wandel. „Wir müssen uns anpassen, sonst werden wir verschwinden.“ Man sollte jedoch die physischen Zwänge der Stromnetze nicht ausser Acht lassen. Denn diese werden bleiben, egal wie es ansonsten weitergeht.