Der Ausstieg aus der Kernenergie wird die Schweiz dazu zwingen, mehr Energie zu importieren, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Dieser Sachverhalt hat konkrete Auswirkungen und wirft zum heutigen Zeitpunkt zahlreiche Fragen auf. Dies ist die Überzeugung von Paul Michellod, Generaldirektor von FMV, der sich auf dem 4. Nationalen Thementag Smart Energy in Sitten zu Wort meldete.
Gegenwärtig besteht der schweizerische Energiemix zu 35 % aus Kernenergie, aus der ein schrittweiser Ausstieg erfolgt. „Die Herausforderung besteht darin, zu versuchen, eine Übereinstimmung zwischen Erzeugung und Verbrauch aufrechtzuerhalten.“ Dies wird vor allem über eine Erhöhung der Importe erfolgen. Die Schweiz, die in der Vergangenheit praktisch autark war, richtet sich nunmehr als Importland aus, so Paul Michellod.
Jedenfalls haben die Nachbarländer der Schweiz ebenfalls ihre eigenen Besonderheiten und Herausforderungen. Deutschland besitzt einen Energiemix aus Kohle, Kernenergie, Gas, und zusätzlich den erneuerbaren Energien, die ein starkes Wachstum erleben. Österreich verfügt über einen ähnlichen Energiemix wie die Schweiz, aber ohne Kernenergie. Frankreich stützt sich dagegen im Wesentlichen auf die Kernenergie (ca. 70 %). Italien wiederum verfügt über keine Kernenergie, aber viel Kohle und Wasserkraft im Norden. „Wie kann man also, unter Berücksichtigung dieser Unterschiede, zu einer ausgehandelten Vereinbarung gelangen, die alle Beteiligten zufriedenstellt?“ fragt sich Paul Michellod. Wenn man zum Beispiel den Schwerpunkt auf das CO2 legt, wären Frankreich und die Schweiz derzeit begünstigt.
Perspektiven für die Zeit nach dem 9. Februar
Bevor die Schweiz an die zukünftigen Energieimporte denken kann, hat sie noch eine weitere Herausforderung zu bewältigen. Es handelt sich dabei um die Konsequenzen der Volksabstimmung vom 9. Februar, mit dem Einfrieren der Verhandlungen über das EU-Energieabkommen. „Wir wissen nicht, welches die Bedingungen für den Zugang zu den europäischen Märkten sind.“
Wenn die Schweiz kein Abkommen mit der EU aushandelt, wird sie als Drittland betrachtet, ohne Verpflichtung zur Solidarität seitens der anderen europäischen Länder bei Versorgungsproblemen. „Die wirtschaftlichen Bedingungen werden in jedem Fall schwieriger sein, und man wird darauf angewiesen sein, dass sich andere Länder dazu bereit erklären, ihre Energie an die Schweiz zu exportieren.“
Die Schweiz, zukünftige Regulierungsmacht mit Österreich
Eine der Ideen, die sich für die Zukunft der Schweiz im Energiebereich abzeichnen, besteht darin, einen gemeinsamen Pool mit Österreich zu bilden, mit der Perspektive, dank der Pumpspeicheranlagen eine Regulierungsmacht zwischen Nord- und Südeuropa zu bilden. Die Schweiz kann in diesem Bereich eine wichtige Rolle übernehmen, und sie muss diese Chance ergreifen.